Perspektive mit Herz:

Pflegeausbildung bei der AWO

28. Februar 2020

Dumme Sprüche kennt Alev Klatt zur Genüge. Wie den vom „Hinternabwischer“. Darüber kann die junge Frau nur müde lächeln. „Das sagen Menschen, die keine Ahnung von der Materie haben.“

Alev Klatt dagegen weiß, wovon sie spricht. Sie ist im Seniorenzentrum Willy-Brandt-Haus in Moers des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin und hat den Schritt noch nicht eine Sekunde bereut. Denn Pflege sei viel viel mehr als nur Hinternabwischen und Tabletten verabreichen. „Der Umgang mit den Menschen ist entscheidend. Ich kann von ihnen so viel lernen. Nicht nur ich kümmere mich um sie, sie kümmern sich auch um mich. Das gibt mir so viel.“ Eine Erfahrung, die jetzt auch die 66 Frauen und Männer machen, die gerade ihre Altenpflege-Ausbildung bei der AWO begonnen haben – ein Beruf mit vielen Möglichkeiten, gerade bei der AWO.

Martina Lapins (54), Pflegefachkraft und Praxisanleiterin

Das wird sich auch nicht ändern, wenn im August dieses Jahres die neue Ausbildung nach dem Pflegeberufe-Reformgesetz beim AWO-Kreisverband beginnt. Worum geht’s? Anders als in der Vergangenheit gebe es nicht mehr die Unterscheidung zwischen Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege, erklärt Carsten Weyand, Leiter des Fachbereichs Alter und Gesundheit. „Alle Azubis werden zwei Jahre gemeinsam ausgebildet.“ Nach zwei Jahren könne entweder im dritten Jahr die generalistische Ausbildung fortgesetzt oder ein gesonderter Abschluss in der Alten-, Gesundheits- oder Kinderkrankenpflege gemacht werden. Die Ausbildung ermögliche viele Berufswege, allen Azubis würden dieselben Inhalte vermittelt. Im Klartext: „Wer bei der AWO lernt, lernt das, was auch bei der Ausbildung im Krankenhaus auf dem Stundenplan steht.“ 

Maike Kapitza (21), Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr

Wer mit den Azubis der AWO spricht, hört schnell heraus, dass sie ihre Ausbildung als etwas Besonderes empfinden. Menschen im Alltag zu begleiten, sie gut kennenzulernen, egal, ob im Seniorenzentrum, in der Tages- oder ambulanten Pflege. Kevin Rheinfelder, Fachbereichsleiter teilstationäre, ambulante und offene Altenhilfe bei der AWO, kennt das. „Pflege ist generell eine sehr sinnstiftende Tätigkeit“, so Rheinfelder. „Aber in der Altenhilfe kommt noch die Beziehungsarbeit hinzu. Anders als im Krankenhaus begleiten wir die Menschen über einen langen Zeitraum. Sie wohnen bei uns.“ Der Sinn der Tätigkeit sei für viele Azubis und Beschäftigte ausschlaggebend, die Zahl der Quereinsteiger*innen groß, „die sich in ihrem alten Beruf fragen, will ich das mein Leben lang machen“, sagt die Pflegedienstleiterin im Sozialen Zentrum Moers, Bianca Bimmermann. Die Palette reiche vom ehemaligen Bergmann bis hin zu einer Juristin aus Bosnien. Ihr Abschluss sei in Deutschland nicht anerkannt worden, sie habe sich für die Pflege entschieden. „Hier bei uns wird man gebraucht, das ist ein schönes Gefühl.“ Natürlich setze die AWO auch auf digitale Unterstützung, „aber die direkte menschliche Pflege kann kein Roboter ersetzen“. 

Im Kreis Wesel sei die AWO mit ihren vielfältigen Einrichtungen gut aufgestellt. Wie zum Beispiel in Moers mit dem Willy-Brandt-Seniorenzentrum, der benachbarten Tagespflege und dem ambulanten Dienst. So haben die Auszubildenden die Möglichkeit, in viele Bereiche hineinzuschnuppern – ein Vorteil eines großen Verbandes. Die Perspektiven für die künftigen Pflegefachkräfte sind gut. Die Übernahme ist fast garantiert, wer sich weiterbilden und spezialisieren möchte, dem stehen alle Türen offen. 

Anna Szaton (44), Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr

Die AWO, betont Weyand, „hat sich auf das neue Pflegeberufegesetz gut vorbereitet.“ Mit mehreren Pflegefachschulen unter anderen in Moers, Kamp-Lintfort und Xanten wurden Kooperationsverträge geschlossen. Die praktische Ausbildung muss durch so genannte Praxisanleiter*innen begleitet werden. Im Jahr 2019 wurden 14 Kolleg*innen qualifiziert. Die Azubis werden gut betreut, „in jedem Wohnbereich haben wir vier Praxisanleitungen“, sagt Uwe Katzor, der Leiter des Willy-Brandt-Hauses.

Martina Lapins ist eine davon. Der Lebenslauf der 54-Jährigen macht deutlich, welche Möglichkeiten die AWO bietet. Sie ist gelernte Friseurin und Maskenbildnerin. Als die Kinder aus dem Haus waren, suchte sie nach einer neuen und sinnvollen Tätigkeit. „Ich wollte immer schon in die Pflege.“ Seit 2015 arbeitet sie im Willy-Brandt-Haus. An eine Weiterbildung hatte sie zunächst nicht gedacht. Doch ihre Vorgesetzten konnten sie überzeugen, „jetzt bin ich super dankbar dafür“. Ihre ersten Schüler*innen gehen ins Examen, „ein wunderbares Gefühl. Und es ist auch eine tolle Möglichkeit für einen selbst. Ich lerne mit und bin immer auf dem neuesten Stand.“