AGW Presseinformation im März 2019
Unbesetzte Ausbildungsplätze und gescheiterte Bewerber*innen – Freie Wohlfahrtspflege NRW kritisiert Schieflage auf dem Ausbildungsmarkt
Kreis Wesel, 19. März 2019. Mehr Lehrstellen als Bewerber*innen – Diese positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt gilt leider nicht überall. Wie der neue Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege zeigt, fehlten im Kreis Wesel im vergangenen Ausbildungsjahr 907 Ausbildungsstellen. Gleichzeitig wurden ausbildungsvorbereitende und -begleitende Maßnahmen gestrichen.
Während in Deutschland immer mehr Arbeitgeber*innen über einen Azubi-Mangel klagen, gibt es in Nordrhein-Westfalen mehr Bewerber*innen als Ausbildungsplätze. So kamen etwa im Kreis Wesel von Oktober 2017 bis September 2018 auf knapp 3.850 gemeldete Bewerber 2.943 gemeldete Ausbildungsstellen. Für eine optimale Versorgung würden sogar zusätzliche 1.388 Stellen benötigt.1 „Diese Ausbildungslücke ist besorgniserregend, zumal es bundesweit seit den 1990er Jahren erstmals einen ganz anderen Trend gibt“, erklärt Dr. Bernd Kwiatkowski, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel.
Trotz aller Bemühungen blieben laut Arbeitslosenreport NRW mehr als 167 Bewerber*innen zum Stichtag 30. September 2018 gänzlich unversorgt. Mit dem Argument fehlender Ausbildungsreife gäben viele Betriebe Hauptschüler*innen keine Chance mehr, kritisiert Kwiatkowski. „Es birgt sozialen Sprengstoff, wenn Unternehmen sich über Fachkräftemangel beschweren, sich aber von Hauptschüler*innen abwenden. Die Betriebe haben eine gesellschaftliche Verantwortung, einen solidarischen Beitrag zur Sicherung der Zukunft junger Menschen zu leisten“, mahnt Kwiatkowski.
Laut Arbeitslosenreport gab es im September 2018 im Kreis Wesel insgesamt 2.064 Jugendliche unter 25 Jahren im sogenannten Langzeitleistungsbezug. Annähernd 32 Prozent dieser jungen Menschen sind auf der Suche nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und besitzen gleichzeitig keine abgeschlossene Berufsausbildung. Landesweit ist ihre Zahl in den letzten drei Jahren um rund zwei Prozentpunkte gestiegen.
Gleichzeitig wurden ausbildungsvorbereitende und -begleitende Maßnahmen abgebaut. „Jugendliche müssen jede nötige Unterstützung erhalten, um sich beruflich qualifizieren zu können. Daher fordern wir eine Ausweitung ausbildungsvorbereitender und –begleitender Maßnahmen. Sie müssen anschlussfähig sein und wo nötig Förderketten bilden, die den jungen Menschen den Weg in das Berufsleben ebnen“, so Kwiatkowski. Eine Ausweitung der Angebote wäre aus Sicht der Wohlfahrtsverbände in Wesel ein wichtiger Schritt, um das im ‚Ausbildungskosens NRW‘ formulierte Ziel der Stärkung von Aus- und Weiterbildung zu erreichen.
An die Betriebe appelliert Kwiatkowski, sich auch für Jugendliche mit Hauptschul- oder Förderschulabschluss zu öffnen. „Der Staat bietet Betrieben die nötige Unterstützung an, zum Beispiel mit der Assistierten Ausbildung. Es gibt keine Ausreden mehr für mangelnde Ausbildungsbereitschaft“, betont Kwiatkowski.
1 Vielfach ist für den Ausbildungsstellenmarkt von einer Angebots-Nachfrage-Relation von ANR = 112,5 (also von einem Angebotsüberhang von 12,5 %) die Rede. Dieser Richtwert resultiert aus einem politischen Kompromiss der sozialliberalen Koalition in den 1970er-Jahren. Sie ist der Mittelwert aus der damaligen SPD-Forderung nach 20 % und der FDP-Vorstellung von 5 % Überhang, der sich in § 2 Abs. 1 Satz 1 Ausbildungsplatzförderungsgesetz (APlFG) manifestierte.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.bibb.de/de/4377.php

Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.deheruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz.
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.
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(90 kB) 2019_03_19_PM_Schieflage_Ausbildungsmarkt
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(2 MB) Dr. Bernd Riekemann
Vorstand AWO Kreisverband Wesel e.V.
Ansprechpartner für weitere Fragen und Informationen:
Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel
Sprecher: Dr. Bernd Kwiatkowski