Haushaltsführerschein: Crashkurs macht AWO-Mieter fit für den Alltag

Frank S. ist ein unauffälliger junger Mann. Er trainiert regelmäßig im Fitnessstudio, sitzt abends gerne vor dem Fernseher und schmust auf dem Sofa mit seiner Katze. Der 23-Jährige lebt scheinbar nicht auf großem Fuß, hat aber dennoch große finanzielle Probleme: Er hat eine Ausbildung abgebrochen, arbeitet nicht und bezieht Hartz IV. Aus seiner Wohngemeinschaft ist er wegen Mietrückständen rausgeflogen. Seit ein paar Wochen lebt er in einer kleinen Wohnung im Projekt „Junges Wohnen“ der Arbeiterwohlfahrt (Kreisverband Wesel) in Meerbeck. „Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Spätestens am 20. jedes Monats bin ich blank“, sagt Frank. Doch nun ist Hilfe in Sicht: Er macht den AWO-Haushaltsführerschein. „Damit ich endlich meine Ausgaben in den Griff bekomme“, hofft Frank und atmet tief durch.

Wie Frank S. ergeht es seit Jahresanfang jedem, der an der Neckarstraße in Meerbeck eine Wohnung der AWO anmieten möchte. „Ohne Haushaltsführerschein gibt es bei uns keinen Mietvertrag mehr“, sagt Birgit Fletcher, Sozialarbeiterin im Projekt „Junges Wohnen“. Das heißt: Wer einen Mietvertrag unterschreibt, muss sich gleichzeitig bereit erklären, sich auf Kosten der AWO in einem Crashkurs von mindestens zwölf Stunden schulen zu lassen. Denn viele Mieter besitzen keinerlei Erfahrung mit einer eigenen Wohnung. „Einen Einkauf planen, mit Geld haushalten, kochen, die Wohnung sauber halten oder soziale Kontakte zu den Nachbarn pflegen – oft sind es schon die kleinen Dinge des Alltags, an denen es hapert“, so Fletcher.

In einem Gespräch mit dem künftigen Bewohner, bei dem auch die pädagogische Fachkraft Kirsten Stollberg dabei ist, werden die größten Defizite ermittelt. Anschließend erstellen die beiden Frauen einen individuellen Lehrplan. Der kann zum Beispiel die Lagerung von Lebensmitteln, einen Kochkurs oder die Küchenhygiene beinhalten. Oder, wie im Fall von Frank S., das richtige Wirtschaften. Haushaltsbuch führen, Preise vergleichen, notwendige von überflüssigen Anschaffungen trennen – das ist oft nicht einfach. „Die Hartz IV-Sätze sind bescheiden. Umso wichtiger ist es, diszipliniert zu sein und seine Ausgaben genau zu planen“, sagt Kirsten Stollberg. Die gelernte Erzieherin leitet alle Schulungen. Ihr Ziel: „Wir wollen etwas dazu beitragen, dass die Leute ihren Alltag besser bewältigen können.“

Neben Frank S. machen auch zwei neue Mieterinnen den Haushaltsführerschein. „Wer von den Altmietern gerne geschult werden möchte, kann das selbstverständlich auch“, bietet Birgit Fletcher ein Gespräch über mögliche Defizite an. Für die Schulungen wurde, direkt neben Fletchers Büro, eine Musterküche eingerichtet. „Ein hoher Praxisbezug ist uns wichtig. Wir wollen, dass die Mieter das Erlernte sofort umsetzen können“, erklärt Kirsten Stollberg, die mit ihren Schülern auf den Markt geht und frische Lebensmittel kauft. Gemeinsam wird dann gekocht und in der gemütlichen Musterküche gegessen. „Wir wollen auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Kochen mehr ist als nur eine Tiefkühlpizza in den Ofen schieben“, so Stollberg.

Frank S. verspricht sich vom Haushaltsführerschein aber auch noch etwas anderes: einen besser strukturierten Tagesablauf. „Ich schlafe lange und habe zu viel Zeit, die ich nicht sinnvoll nutze“, sagt er. Kirsten Stollberg wird ihm zeigen, wie er einen Tages- und Wochenplan erstellt. Frank S. hofft: „Vielleicht wird mir das helfen, mich mehr zu motivieren. Dann finde ich auch bald wieder eine Arbeit.“