Veranstaltung in Rheinkamp

60 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen

9. November 2021

Am 30. Oktober 1961 vereinbarten Deutschland und die Türkei ein Anwerbeabkommen zur Entsendung türkischer Arbeitskräfte. Das Internationale Zentrum der AWO KV Wesel e.V.  hat den 60-jährigen Jahrestag mit einer besonderen Veranstaltung im Kulturzentrum Rheinkamp gefeiert. 120 Gäste, darunter auch viele Einwanderer*innen der ersten Generation, erlebten einen informativen und unterhaltsamen Abend, eine Zeitreise inklusive. Olga Weinknecht und Asiye Koc moderierten die Veranstaltung in zwei Sprachen, deutsch und türkisch.

“Gastarbeiter*innen” für den wirtschaftlichen Aufschwung

Ibrahim Yetim, AWO-Präsident, Claudia van Dyck, stellvertretende Bürgermeisterin von Moers, Vertreter*innen des Integrationsrates und des IKM erinnerten bei ihren Ansprachen an die Anfangszeiten der Zugewanderten. Gastarbeiter*innen nannte man damals die ausländischen Arbeitnehmer*innen, die nach Deutschland kamen, um die schnell wachsende Wirtschaft zu unterstützten. 

Viele junge Männer und Frauen aus der Türkei sahen in diesem Abkommen eine Chance, Geld zu verdienen, um später ihre Träume verwirklichen zu können. In Moers wurden vor allem Arbeitskräfte für den Bergbau gesucht, weshalb viele Arbeitskräfte aus der türkischen Bergbau-Stadt Zonguldak nach Repelen kamen. Aus den ursprünglich vorgesehenen zwei Jahren wurde häufig ein ganzes (Arbeits-)Leben. Viele blieben in Deutschland, heirateten, bekamen Kinder, Enkel und Ur-Enkel und sind inzwischen Renter*innen.

Häkeldecken und Heimweh

Für die anwesenden Einwander*innen der ersten Generation war der Abend auch eine Reise in die Vergangenheit."Uzun ince bir yoldayım" / „Ich bin auf einem langen Weg“ – so haben wir auch unsere Veranstaltung genannt, weil allen Menschen, die die türkische Kultur kennen, mit dieser Strophe eine Verbindung haben“, erklärt Asiye Koc, Leiterin des Internationalen Zentrums der AWO. „Sie entstammt einem türkischen Volkslied, das über einen nicht endenden Weg erzählt, voller Rückschläge und Sehnsüchte.”

Das IZ hat die türkischen Teilnehmer*innen vorab gebeten, einen Gegenstand mitzubringen, der Bezug zu Bergbau oder Migration hat. Bei Baklava und schwarzem Tee bestaunten die deutschen und türkischen Gäste selbst gehäkelte Deckchen, die in keinem türkischen Haushalt fehlen durften. Sie erfuhren von Briefen in die Heimat, die wochenlang unterwegs waren. Von Telefonaten, die nur selten und umständlich geführt werden konnten. Und vor allem hörten sie von großem Heimweh.

Nostalgie: Ein typisch türkischer Wohnraum

Ein besonderes Highlight war der Film, der aus Mitteln der AWO-Gemeinschaftsstiftung gedreht wurde und der den passenden Titel “Ich bin auf einem langen Weg” bekommen hat. Darin berichten Angehörige der ersten “Gastarbeiter”-Generation über ihre Migration und das weitere Leben.

Hier geht es zum Film

Ich bin auf einem langen Weg 

Migration veränderte Deutschland

Die Arbeitszuwanderung veränderte nicht nur die Biografien vieler Menschen, sondern auch Deutschland. Das Land musste sich mit Fragen der Migration und Integration auseinandersetzen, Toleranz und Offenheit lernen und ist diesbezüglich noch immer auf der Suche nach dem richtigen Weg und einer passenden Definition. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte anlässlich des Jahrestages, es sei Zeit für einen Perspektivwechsel. Wir sollten nicht über Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sprechen, sondern von Deutschland als einem Land mit Migrationshintergrund.

Zur Info: Die AWO begleitete von Anfang an, seit 1962, die türkischen Arbeitnehmer*innen mit ihrem Sozialdienst Türkdanis. Bis heute ist die soziale Arbeit der AWO eng mit der türkischstämmigen Community verbunden, insbesondere die Angebote des Internationalen Zentrums.