AGW Presseinformation im Juni 2020
Geflüchtete Frauen am Arbeitsmarkt gezielt und gleichberechtigt fördern!
Kreis Wesel, 18. Juni 2020. Trotz hoher Motivation, beachtlicher Berufserfahrung und uneingeschränkter Erlaubnis zu arbeiten, stehen geflüchtete Frauen vor erheblichen Barrieren, die ihnen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erschweren. Das muss sich ändern, fordert die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (LAG) NRW in ihrem neuesten Arbeitslosenreport.
Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen Ende 2019 im Kreis Wesel 1.319 geflüchtete Frauen im erwerbsfähigen Alter Hartz-IV-Leistungen, aber nur 137 wurden mit einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gefördert. Geflüchtete Frauen sind laut Arbeitslosenreport im Vergleich zu geflüchteten Männern bei der arbeitsmarktpolitischen Förderung deutlich unterrepräsentiert. Der Frauenanteil der Teilnehmenden in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Kreis Wesel beträgt lediglich 21,6 Prozent.
Das ist deutlich weniger als es dem Anteil der Frauen an den Arbeitslosen im Kreis Wesel (34,8 Prozent) zufolge sein müsste. „Die BA muss sich offensichtlich stärker anstrengen, um Gleichberechtigung bei der Förderung in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für geflüchtete Frauen herzustellen“, fordert Dr. Bernd Riekemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel.
Damit sie überhaupt arbeiten oder sich qualifizieren können, brauchen viele geflüchtete Frauen bedarfsorientierte und flexible Angebote der Kinderbetreuung und Bildungs- und Qualifizierungsangebote in Teilzeit. Im Kreis Wesel lebten im Dezember 2019 knapp 1.008 von insgesamt 1.319 geflüchteten Frauen in einer SGB-II-Bedarfsgemeinschaft mit einem oder mehreren Kindern (76,4 Prozent). Nach Einschätzung der Freien Wohlfahrtspflege ist es wichtig, Arbeitsmarktintegration stärker als bisher als systemischen Prozess zu betrachten. Konkret heißt das, den Blick nicht nur auf eine zu fördernde Einzelperson zu richten, etwa eine geflüchtete Frau, sondern auch deren soziales Umfeld mit in den Blick zu nehmen, etwa den Lebenspartner und die Familie. „Gerade wenn es um Rollenbilder und Geschlechterstereotype geht, lernen Kinder von ihren Eltern. Deshalb ist es wichtig, die zu uns geflüchteten Frauen schon heute auf ihrem Weg zu mehr selbstbestimmter Teilhabe am Arbeitsleben zu unterstützen. Dann lernen das gleich auch die Kinder für ihre eigene Zukunft“, sagt Dr. Bernd Riekemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel.
„Es ist übrigens ein Vorurteil und daher falsch, geflüchteten Frauen pauschal fehlende Bildung und mangelnde Kompetenzen zu unterstellen, warnt Riekemann und kritisiert die Datenbasis der BA. In der Statistik fehlten im Kreis Wesel bei 32,6 Prozent der geflüchteten Frauen Angaben zum Schulabschluss. „Hier muss dringend noch einmal genau hingeschaut und ggf. in den Erfassungsunterlagen nachgebessert werden“, fordert Riekemann. „Wir wissen aus der Praxis unserer Dienste und Einrichtungen, dass viele geflüchtete Frauen aus ihren Herkunftsländern durchaus beachtliche Berufserfahrung mitbringen. Diese werde jedoch im hochdifferenzierten und stark segmentierten deutschen System der beruflichen Bildung oft nicht anerkannt“, so Riekemann weiter.
Hintergrund:
Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege haben sich in der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit im Kreis Wesel und die Sicherung bestehender Angebote. Die Wohlfahrtsverbände bieten mit einem vielfältigen Spektrum an sozialen Dienstleistungen vielen Menschen Unterstützung und Hilfe – für Kinder, Jugendliche und Familien, für Seniorinnen und Senioren, für von Armut Betroffene, für Kranke, Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige, für Menschen mit Migrationshintergrund, junge Menschen ohne Ausbildung oder Langzeitarbeitslose.