Stellenwert der Wohlfahrtsverbände

Zähes Ringen um Finanzierungssicherheit

7. Juli 2021

Die Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel leisten mit ihren vielfältigen Angeboten wichtige soziale Dienste für die Bürger*innen. Da es sich um vom Kreis übernommene Pflichtaufgaben handelt, werden sie zum Teil durch öffentliche Gelder finanziert. Steigende Kosten bei gleichbleibenden Zuschüssen gefährden die Finanzierungssicherheit der Angebote. Dr. Bernd Riekemann, Fachvorstand bei der AWO Kreisverband Wesel, befürchtet gleichzeitig eine Marktforcierung im Bereich der Wohlfahrtspflege.

Wohlfahrtsverbände, wie die Arbeiterwohlfahrt, leisten im Kreis Wesel wichtige soziale Dienste für die Bürger*innen. In den kreisweiten Anlaufstellen bieten sie vielfältige Unterstützung, z.B. für Familien, Kinder und Jugendliche, Ältere, Flüchtlinge, Hilfsbedürfte oder Menschen mit Handicap. Es handelt sich dabei um Pflichtaufgaben, die die Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel als Kooperationspartner übernehmen. Die Nachfrage nach diesen Angeboten ist bei den Bürger*innen enorm groß und wird durch die sozialen und psychischen Folgen der Pandemie vermutlich noch weiter ansteigen. Finanziert werden die Leistungen zum großen Teil durch öffentliche Gelder, was zunehmend schwerer wird, da die Zuschüsse die ständig steigenden Kosten nicht mehr decken können. „Es ist ein ständiger Kampf um eine solide wirtschaftliche Aufstellung“, meint Dr. Bernd Riekemann, Fachvorstand der Arbeiterwohlfahrt im Kreis Wesel und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel, das zähe Ringen um Finanzierungsicherheit.

 

“Aktuelle Beispiele belegen, dass es mittlerweile zumindest Überlegungen in Kreis und einzelnen Kommunen gibt, die in Richtung einer Marktforcierung im Bereich des Sozialen gehen”, erklärt Riekemann. Er findet die Idee fatal, dass Lösungen sozialer Probleme von gewinnorientierten Unternehmen, die oftmals noch nicht einmal Tariflöhne für die Mitarbeitenden zahlen, gefunden werden könnten.“ Wenn ein Sozialstaat nur noch dort existiert, wo Gewinne möglich erscheinen, wird er obsolet, denn die gesellschaftliche Vielfalt wird durch ihre Wohlfahrtsverbände repräsentiert, nicht durch öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften.”  Der Sinn der gesetzlich verankerten Subsidiarität läge darin, die Wohlfahrtsverbände als Partnerorganisationen zu verstehen, die sich vernetzend und fachübergreifend für die Bürger*innen des Kreises Wesel einbringen und dabei regional, bürgernah und politisch barrierefrei arbeiten. Die Kooperation sollte entsprechend in diesem Sinne gestaltet und auch finanziert werden.  

 

Die SPD-Kreistagsfraktion hat sich jüngst als einzige Partei im Sozialausschuss für die Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel stark gemacht. In einem Antrag forderte sie, die Zuschüsse an die Wohlfahrtsverbände entsprechend der jährlichen Inflationsrate anzupassen. Für diese sogenannte ‘Dynamisierung‘ sollte die Verwaltung ein Konzept entwickeln. Der SPD-Antrag wurde durch Gegenstimmen von CDU, Bündnisgrünen, FDP und AfD abgelehnt.

 

Für Riekemann ist das Votum der Parteien nicht nachvollziehbar: „Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände ist unerlässlich für das soziale Miteinander. Offensichtlich wird der hohe Wert unserer Angebote für die Bürger*innen nicht von allen Parteien gleichermaßen anerkannt. Nur so kann man sich erklären, wieso sie dem Antrag der SPD nicht zustimmten.“  

 

Während die Parteien also auf die Fortführung der jetzigen Rahmenbedingungen bestehen, bangen die Wohlfahrtsverbände um die gesicherte Fortführung ihrer Angebote. Dies sei nicht nur enttäuschend, sondern auch unverständlich vor dem Hintergrund, dass die Anpassung der Zuschüsse an die Inflationsrate eine vergleichsweise geringe Ausgabe für den Kreishaushalt darstellen würde. „Hier wird am falschen Ende gespart“, so Riekemann. „Es ist hinreichend bekannt, dass präventive Arbeit, wie wir sie beispielsweise in unseren Beratungsstellen und Jugendzentren leisten, kostengünstiger ist, als mögliche Folgeschäden zu beheben.“  

 

Die Vertreter*innen der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel haben Anfang dieses Jahres einen Forderungskatalog aufgestellt, der den politischen Vertretungen im Kreis Wesel zugegangen ist. Derzeit werden diesbezüglich intensive Gespräche mit den Bürgermeister*innen in den einzelnen Kommunen geführt, bei denen es um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf besonders betroffene Personengruppen geht und weitere relevante Themen aus dem Forderungskatalog, z.B. die gleichberechtigte Teilhabe für alle in unserem Kreis lebenden Bürger*innen, bezahlbaren Wohnraum für jeden Menschen sowie Maßnahmen für die Klimafolgenanpassungen. Und es geht um die Finanzierung der Wohlfahrtsverbände und hier konkret um die strittigen, ständigen Forderungen des Kreises nach hoher Eigenanteilsübernahmen durch die Wohlfahrtsverbände.